Geschichten zum Nachdenken & philosophische Zitate
von Jana Schick
Das Sieb
Zum weisen Sokrates kam einer gelaufen und sagte: „Höre Sokrates, das muß ich Dir erzählen!“ -„Halte ein!“ unterbrach ihn der Weise, „hast Du das, was Du mir sagen willst, durch die drei Siebe gesiebt ?“ – „Drei Siebe?“, frage der andere voller Verwunderung. „Ja guter Freund! Laß sehen, ob das, was Du mir sagen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht:
Das erste ist die Wahrheit. Hast Du alles, was Du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist ? „Nein, ich hörte es erzählen und…“ -“ So, so! Aber sicher hast Du es im zweiten Sieb geprüft. Es ist das Sieb der Güte. Ist das, was Du mir erzählen willst gut?“ Zögernd sagte der andere: „Nein, im Gegenteil…“ – „Hm…“, unterbracht ihn der Weise, „so laß uns auch das dritte Sieb noch anwenden. Ist es notwendig, daß Du mir das erzählst?“- „Notwendig nun gerade nicht…“ “ Also,“ sagte lächelnd der Weise, „wenn es weder wahr noch gut noch notwendig ist, so laß es begraben sein und belaste Dich und mich nicht damit. “
" Jemand lieben, heisst, ihn so zu sehen, wie Gott ihn gemeint hat" Fjodor Dostojewski
Die Insel
Der einzige Überlebende eines Schiffsunglücks wird an den Strand einer einsamen und unbewohnten Insel gespült. Tag für Tag hielt er Ausschau nach einem Schiff am Horizont. Nach vielen Tagen ergebnisloser Ausschau nach einem Schiff baute er sich eine kleine Hütte aus Holz. Eines Tages kam er von einem Ausflug auf der Insel zurück und stellte fest, dass seine Hütte in Flammen stand. Er hatte alles verloren und seine Stimmung wechselte zwischen Ärger und Verzweiflung. Am nächsten Morgen wachte er durch das Motorgeräusch eines Bootes auf, das sich der Insel näherte. Man kam, um ihn zu retten. „Woher wusstet ihr, dass ich hier bin?“, fragte er seine Retter. „Wir haben Ihr Rauchsignal gesehen“, antwortete der Kapitän.
"Worte und geschleuderte Steine kann man nicht zurückholen" Japan
Der Esel
Lebensweisheiten in einer arabischen Geschichte:
Ein Vater reitet auf einem Esel und neben ihm läuft sein kleiner Sohn. Da sagt ein Passant empört: „Schaut euch den an. Der lässt seinen kleinen Jungen neben dem Esel herlaufen“. Der Vater steigt ab und setzt seinen Sohn auf den Esel. Kaum sind sie ein paar Schritte gegangen ruft ein anderer: „Nun schaut euch die beiden an. Der Sohn sitzt wie ein Pascha auf dem Esel und der alte Mann muss laufen“. Nun setzt sich der Vater zu seinem Sohn auf den Esel: Doch nach ein paar Schritten ruft ein anderer empört: „Jetzt schaut euch die Beiden an. So eine Tierquälerei“. Also steigen beide herab und laufen neben dem Esel her. Doch sogleich sagt ein anderer belustigt: „Wie kann man nur so blöd sein. Wozu habt ihr einen Esel, wenn ihr ihn nicht nutzt.“ Die darin enthaltene Lebensweisheit: Wir können es nie allen Menschen Recht machen, gleichgültig wie sehr wir uns auch anstrengen. Deshalb macht es auch keinen Sinn, sich zu fragen, ob andere gut finden, was wir tun. Die anderen sind kein Maßstab. Wir müssen selbst entscheiden, was für uns richtig und falsch ist.
"Auch aus Steinen, die in den Weg gelegt werden, kann man was Schönes bauen" J.W. Goethe
Der Traum
Ein Sultan hatte geträumt, er verliere alle Zähne. Gleich nach dem Erwachen fragte er einen Traumdeuter nach dem Sinn dieses Traumes. "Ach, welch ein Unglück, Herr!", rief dieser händeringend aus, "Jeder verlorene Zahn bedeutet den Verlust eines deiner Angehörigen!" "Was erlaubst du dir?", schrie ihn der Sultan wütend an, "Was wagst du mir da zu sagen? Verschwinde!" Und er gab den Befehl: "Fünfzig Stockschläge für diesen Unverschämten!" Ein anderer Traumdeuter wurde gerufen und vor den Sultan geführt. Als er den Traum gehört hatte, rief er: "Welch ein Glück! Welch ein großes Glück! Unser Herr wird alle die Seinen überleben!"
Da hellte sich des Sultans Gesicht auf, und er sagte: "Ich danke dir, mein Freud. Gehe sogleich mit meinem Schatzmeister und lasse dir von ihm 50 Goldstücke geben!" Auf dem Weg sagte der Schatzmeister kopfschüttelnd: "Du hast den Traum des Sultans doch auch nicht anders gedeutet, als dein Kollege!" Der Traumdeute lächelte und erwiderte: "Merke dir, man kann vieles sagen, es kommt nur darauf an, wie man es sagt!"
"Wer alles haben will, dem entgeht alles" arabisch
Die Raupe
Ein Schüler kam zum Meister. „Ach Herr,“ stöhnte er, „um Euren Lehren zu folgen, ist so viel Veränderung nötig. Das ist mir eigentlich alles viel zu anstrengend. Ich glaube, ich werde das Studium hier beenden.“ Da schaute der Alte mit einem traurigen Blick auf seinen Schüler. „Kennst du die Geschichte von der Raupe?“ fragte er. Der Schüler verneinte. „Es war einmal eine Raupe, die das Gefühl hatte, dass die Metamorphose zum Schmetterling zu anstrengend sei. Also beschloss sie, Raupe zu bleiben. Und während sie mühsam und langsam durchs Leben kroch, schaute sie immer mal wieder hinauf zu all den Schmetterlingen, die im Sommerwind von Blume zu Blume tanzten…“ erzählte der Meister die Geschichte. „Und nun überleg wohl, ob der scheinbar einfachere Weg auch tatsächlich der einfachere ist.“
"Wer gut zuhört, gibt gut Antwort"
Die Fügung
Ein König hatte einen Minister, der bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit sagte: Gott fügt alles wunderbar.“ Nach einiger Zeit hatte der König diesen Satz so oft gehört, dass er ihn nicht mehr ertragen konnte. Die beiden sind auf der Jagd. Der König schießt einen Hirsch. Minister und König sind hungrig, machen Feuer, grillen den Hirsch, der König beginnt zu essen und schneidet sich in seiner Gier einen Finger ab. Der Minister: Gott, fügt alles wunderbar.“ Jetzt reicht es dem König. Wütend entlässt er den Minister aus seinen Diensten und befiehlt ihm, sich fortzuscheren. Er wolle ihn nie wieder sehen. Der Minister geht. Der König, vom Hirschbraten gesättigt, schläft ein. Wilde Räuber, Anhänger der Göttin Kali, überfallen und fesseln ihn, wollen ihn ihrer Göttin opfern und – verspeisen. Im letzten Moment bemerkt einer der Kali-Anhänger den fehlenden Finger. Die Räuber beratschlagen sich und befinden: Dieser Mann ist unvollkommen. Ihm fehlt ein Körperteil. Unserer Göttin darf nur Vollkommenes geopfert werden.“ Sie lassen ihn laufen. Der König erinnert sich an die Worte des Ministers: Gott fügt alles wunderbar“ und begreift: Genau so ist es. Auch in diesem Fall. Er fühlt sich schuldig, weil er den Minister verbannt hat, und lässt ihn suchen. Nach langer Zeit wird er gefunden. Der König entschuldigt sich und bittet ihn, wieder in seine Dienste zu treten. Der Minister: Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich bin dankbar, dass du mich fortgeschickt hast. Mich hätten die Räuber geopfert. Mir fehlt kein Finger. Gott fügt alles wunderbar.“
"Liebe ist das Einzige was wächst, wenn wir es verschwenden" Ricarda Huch
Die Bohnen
“ In Italien kursiert die Geschichte von einem Grafen, der sehr alt wurde,weil er ein Lebensgenießer par excellence war. Niemals verließ er das Haus, ohne sich zuvor eine Handvoll Bohnen einzustecken. Er tat dies nicht etwa, um die Bohnen zu kauen. Er nahm sie mit, um so die schönen Momente des Tages bewusster wahrzunehmen und um sie besser zählen zu können. Für jede positive Kleinigkeit, die er tagsüber erlebte – zum Beispiel eine nette Konversation auf der Straße, das Lächeln seiner Frau und Lachen seiner Kinder, ein köstliches Mal, eine feine Zigarre, einen schattigen Platz in der Mittagshitze, ein gutes Glas Wein – kurz: für alles, was die Sinne erfreut, ließ er eine Bohne von der rechten in die linke Jackentasche wandern. Manche Begebenheit war ihm gleich zwei oder drei Bohnen wert. Abends saß er dann zu Hause und zählte die Bohnen aus der linken Tasche. Er zelebrierte diese Minuten. So führte er sich vor Augen, wie viel Schönes ihm an diesem Tag widerfahren war und freute sich des Lebens. Und sogar an einem Abend, an dem er bloß eine Bohne zählte, war der Tag gelungen, hatte es sich zu leben gelohnt.“
"Der einzige Weg raus, führt nach innen"
Der Krug
Es war einmal ein Wasserträger in Indien. Auf seinen Schultern ruhte ein schwerer Holzstab, an dem rechts und links jeweils ein großer Wasserkrug befestigt war. Einer der Krüge hatte einen Sprung, der andere hingegen war makellos und mit diesem konnte der Wasserträger am Ende seines langen Weges vom Fluss zum Haus seines Dienstherrn eine volle Portion Wasser abliefern. In dem kaputten Krug war hingegen immer nur noch etwa die Hälfte des Wassers wenn er am Haus ankam. Der perfekte der beiden Krüge war natürlich sehr stolz darauf, dass der Wasserträger in ihm immer die volle Portion transportieren konnte. Der Krug mit dem Sprung hingegen war beschämt, dass er durch seinen Makel nur halb so gut war wie der andere Krug. Nach zwei Jahren voller Scham hielt der kaputte Krug es nicht mehr aus und sagte zu seinem Träger: "Ich schäme mich so für meine Unzulänglichkeit und möchte mich bei dir entschuldigen." Der Wasserträger schaute den Krug an und fragte: "Aber wofür denn? Wofür schämst du dich?""Ich war die ganze Zeit nicht in der Lage, das Wasser zu halten, so dass du durch mich immer nur die Hälfte zu dem Haus deines Dienstherrn bringen konntest. Du hast die volle Anstrengung, bekommst aber nicht den vollen Lohn, weil du immer nur anderthalb statt zwei Krüge Wasser ablieferst." bekannte der Krug. Dem Wasserträger lächelte nur und erwiderte: "Achte gleich einmal, wenn wir zum Haus gehen, auf den Straßenrand." Daraufhin fühlte sich der Krug etwas getröstet und so machten sie sich auf den Weg. Am Ende des Weges jedoch fühlte sich der Krug wieder ganz elend und entschuldigte sich erneut zerknirscht bei dem Wasserträger. Der aber erwiderte: "Hast du die Wildblumen am Straßenrand gesehen? Ist dir aufgefallen, dass sie nur auf deiner Seite des Weges wachsen, nicht aber auf der, wo ich den anderen Krug trage? Ich wusste von Beginn an über deinen Sprung. Und so habe ich einige Wildblumensamen gesammelt und sie auf Deiner Seite des Weges verstreut. Jedes Mal, wenn wir zum Haus meines Herren liefen, hast du sie gewässert. Ich habe jeden Tag einige dieser wundervollen Blumen pflücken können und damit den Tisch meines Herren dekoriert. Und all diese Schönheit hast du geschaffen."
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